Mit Unruhe beobachten Christen in Ägypten und außerhalb die Unruhen in Kairo und anderen
Städten. Der Lateinische Erzbischof von Bagdad, Jean Benjamin Sleiman, fürchtet „negative
Konsequenzen für den Irak“, wenn in Ägypten Islamisten an die Regierung kommen. Die
Bewegung des islamischen Fundamentalismus verlaufe „quer durch alle Länder, und man
sollte sie nicht ignorieren, da sollte die internationale Gemeinschaft nicht heucheln“.
Falls in Ägypten Islamisten an die Macht kämen, würden die Christen in dem Land als
erste dafür bezahlen müssen. Auch der Lateinische Patriarchalvikar für Jordanien,
Selim Savegh, warnt davor, die Gefahr einer islamistischen Machtübernahme in Ägypten
zu unterschätzen. Er gehe allerdings davon aus, „dass sich die Islamisten um ihre
christlichen Landsleute kümmern werden, um Kredit bei der öffentlichen Meinung und
der internationalen Gemeinschaft zu bekommen“. Der Lateinische Apostolische Vikar
von Beirut, Paul Dahdah, verfolgt die Geschehnisse im nahen Ägypten „mit einiger Sorge“;
im Libanon hat gerade eine Hisbollah-dominierte und irannahe Regierung ihr Amt angetreten.
Der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa,
fürchtet „nicht so sehr eine islamistische Machtübernahme als vielmehr eine Änderung
in Ägyptens Politik gegenüber Israel“. Die internationale Gemeinschaft solle unbedingt
„weiterhin in Ägypten investieren, um die wirtschaftliche Entwicklung dort zu stützen“.
Der griechisch-melkitische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, erklärt,
er glaube nicht, dass der ägyptische Virus auf Syrien überspringe. Der katholische
Patriarch residiert in Syriens Hauptstadt Damaskus.
Die katholischen Bischöfe
der Maghreb-Staaten Nordafrikas deuten die Ereignisse in Ägypten und auch Tunesien
als einen „Ruf nach Freiheit und Würde besonders der jungen Generation unserer Region“.
Darin komme der Wunsch zum Ausdruck, dass alle als verantwortliche Bürger anerkannt
würden, heißt es in einer am Donnerstag in Rabat veröffentlichten Erklärung der Regionalversammlung
von Bischofskonferenzen des Maghreb. Die Bischöfe hatten bis Mittwochabend in Algier
ihre Vollversammlung abgehalten. Ihr nächstes Treffen soll im November in Tunis stattfinden.
Ausdrücklich treten sie für die Stärkung der Religionsfreiheit ein. Sie diene der
Garantie eines vollständigen und wechselseitigen Respekts. Sie gingen davon aus, dass
Religionsfreiheit und staatsbürgerliche Rechte künftig verstärkt den Dialog zwischen
Muslimen und Christen bestimmen würden.
Der koptisch-katholische Bischof von
Assiut warnt vor einem Bürgerkrieg und rät der Opposition, jetzt auf den Dialog zu
setzen. „Es gibt viel Spielraum für Dialog“, so Bischof Kyrillos William, der sich
derzeit in Kairo aufhält. „Alles ist nur eine Frage der Zeit; der Prozess des Übergangs
hat begonnen und ist nicht mehr rückgängig zu machen.“ Der Bischof ist gegen einen
sofortigen Abgang von Präsident Hosni Mubarak, weil er fürchtet, dass Ägypten dadurch
„in Anarchie verfallen“ könnte. Die Beteuerung der Muslimbrüder, dass sie nicht aufs
Präsidentenamt setzten, „müsste auch die Demonstrierenden beruhigen“, glaubt William.
Das
Oberhaupt der koptischen Christen in Deutschland, Bischof Anba Damian, setzt große
Hoffnungen in die politischen Umwälzungen in Ägypten. „Der Prozess der Erneuerung
könnte eine Gnade sein“, sagte Damian auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur
am Donnerstagabend in Hamburg. Trotz der derzeit unübersichtlichen Lage wäre ein politischer
Neuanfang ein Erfolg der weltweiten Kommunikation und der Globalisierung. Damian appellierte
an die Deutschen, dem ägyptischen Volk jetzt beim Kampf um die Freiheit beizustehen.
Dazu seien die Deutschen durch ihre Erfahrungen mit der Wiedervereinigung geradezu
prädestiniert.