2011-02-04 11:40:01

Ägypten: Wie geht`s jetzt weiter?


Mit Unruhe beobachten Christen in Ägypten und außerhalb die Unruhen in Kairo und anderen Städten. Der Lateinische Erzbischof von Bagdad, Jean Benjamin Sleiman, fürchtet „negative Konsequenzen für den Irak“, wenn in Ägypten Islamisten an die Regierung kommen. Die Bewegung des islamischen Fundamentalismus verlaufe „quer durch alle Länder, und man sollte sie nicht ignorieren, da sollte die internationale Gemeinschaft nicht heucheln“. Falls in Ägypten Islamisten an die Macht kämen, würden die Christen in dem Land als erste dafür bezahlen müssen. Auch der Lateinische Patriarchalvikar für Jordanien, Selim Savegh, warnt davor, die Gefahr einer islamistischen Machtübernahme in Ägypten zu unterschätzen. Er gehe allerdings davon aus, „dass sich die Islamisten um ihre christlichen Landsleute kümmern werden, um Kredit bei der öffentlichen Meinung und der internationalen Gemeinschaft zu bekommen“. Der Lateinische Apostolische Vikar von Beirut, Paul Dahdah, verfolgt die Geschehnisse im nahen Ägypten „mit einiger Sorge“; im Libanon hat gerade eine Hisbollah-dominierte und irannahe Regierung ihr Amt angetreten.

Der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa, fürchtet „nicht so sehr eine islamistische Machtübernahme als vielmehr eine Änderung in Ägyptens Politik gegenüber Israel“. Die internationale Gemeinschaft solle unbedingt „weiterhin in Ägypten investieren, um die wirtschaftliche Entwicklung dort zu stützen“. Der griechisch-melkitische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, erklärt, er glaube nicht, dass der ägyptische Virus auf Syrien überspringe. Der katholische Patriarch residiert in Syriens Hauptstadt Damaskus.

Die katholischen Bischöfe der Maghreb-Staaten Nordafrikas deuten die Ereignisse in Ägypten und auch Tunesien als einen „Ruf nach Freiheit und Würde besonders der jungen Generation unserer Region“. Darin komme der Wunsch zum Ausdruck, dass alle als verantwortliche Bürger anerkannt würden, heißt es in einer am Donnerstag in Rabat veröffentlichten Erklärung der Regionalversammlung von Bischofskonferenzen des Maghreb. Die Bischöfe hatten bis Mittwochabend in Algier ihre Vollversammlung abgehalten. Ihr nächstes Treffen soll im November in Tunis stattfinden. Ausdrücklich treten sie für die Stärkung der Religionsfreiheit ein. Sie diene der Garantie eines vollständigen und wechselseitigen Respekts. Sie gingen davon aus, dass Religionsfreiheit und staatsbürgerliche Rechte künftig verstärkt den Dialog zwischen Muslimen und Christen bestimmen würden.

Der koptisch-katholische Bischof von Assiut warnt vor einem Bürgerkrieg und rät der Opposition, jetzt auf den Dialog zu setzen. „Es gibt viel Spielraum für Dialog“, so Bischof Kyrillos William, der sich derzeit in Kairo aufhält. „Alles ist nur eine Frage der Zeit; der Prozess des Übergangs hat begonnen und ist nicht mehr rückgängig zu machen.“ Der Bischof ist gegen einen sofortigen Abgang von Präsident Hosni Mubarak, weil er fürchtet, dass Ägypten dadurch „in Anarchie verfallen“ könnte. Die Beteuerung der Muslimbrüder, dass sie nicht aufs Präsidentenamt setzten, „müsste auch die Demonstrierenden beruhigen“, glaubt William.

Das Oberhaupt der koptischen Christen in Deutschland, Bischof Anba Damian, setzt große Hoffnungen in die politischen Umwälzungen in Ägypten. „Der Prozess der Erneuerung könnte eine Gnade sein“, sagte Damian auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur am Donnerstagabend in Hamburg. Trotz der derzeit unübersichtlichen Lage wäre ein politischer Neuanfang ein Erfolg der weltweiten Kommunikation und der Globalisierung. Damian appellierte an die Deutschen, dem ägyptischen Volk jetzt beim Kampf um die Freiheit beizustehen. Dazu seien die Deutschen durch ihre Erfahrungen mit der Wiedervereinigung geradezu prädestiniert.

(sir/rv/kna/asca 04.02.2011 sk)







All the contents on this site are copyrighted ©.